Jesus versöhnt

08. Mai - Abschlussgottesdienst
Ich stehe inmitten der Menschenmassen. Lichtblitze durchzucken den Raum, die Musik füllt meine Ohren und ich merke wie mir die Tränen in die Augen schießen. Ich stehe aufrecht, die Hände hinter dem Rücken und beiße die Zähne zusammen, aber schon merke ich wie sich die erste Träne über meine Wange schiebt. Ich weiche den Blicken der Menschen vor mir aus und wende mich zur Bühne. Eigentlich ist es meine Aufgabe die Menschen vor mir im Auge zu behalten, damit niemand über die Absperrung klettert, aber das sind nette Menschen, bisher musste ich noch niemand ansprechen, der das mutwillig getan hat. Trotzdem kann ich jetzt nicht einfach verschwinden. Ich versuche die Fassung zu wahren und stehe stocksteif. Plötzlich tippt mich jemand an und Ive läuft an mir vorbei. Als sie sieht wie mir die Tränen über das Gesicht fließen kommt sie auf mich zu und nimmt mich in den Arm. Jetzt gibt es kein Halten mehr. Ich weiß auch nicht, warum ich hier auf einmal so sentimental werde. Vermutlich lädt sich gerade der ganze Stress der vergangenen Tage auf einmal aus. Als ich mich ein wenig beruhigt habe, verständige ich eine meiner Kolleginen und suche die nächste Toilette auf. Die Frauen und Mädchen in der Schlange gucken nicht schlecht, als ich mit verquollenen Augen zu den Papierspendern haste und mir die Tränen weg wische.
Die Insignien der Macht


Draußen weine ich zwar nicht mehr, aber meine Atmung geht schwer und ich habe das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Ein anderer Ordner kommt auf mich zu und fragt mich ob er mir behilflich sein kann. Ich schüttle den Kopf, dann schlägt er vor, dass ich bestimmt für einen Moment nach draußen gehen kann um frische Luft zu schnappen. Eine Sekunde später öffnet eine Frau der Sicherheitsfirma den Notausgang, sodass ich nach draußen schlüpfen kann. 
Wieder wird mein Körper geschüttelt und ich frage mich wie so häufig woher der Körper dieses ganze Wasser nimmt.
Mir ist schwindelig und ich kann mich kaum auf den Beinen halten, aber wenigstens habe ich mich soweit wieder beruhigt. Die Tür geht wieder auf und ich mache anstalten wieder hineinzugehen, aber die Frau lächelt mir nur zu und sagt, dass ich noch ein wenig bleiben kann und dass sie sowieso noch eine Zigarette rauchen möchte.
Gemeinsam setzen wir uns auf die Eisenabsperrung und sie fragt mich was passiert ist. Darauf kann ich keine gute Antwort geben. Es war einfach zu viel? Hilft sie mir aus. Ich nicke. Sie nickt verständnisvoll und schaut auf den Beschiffungshof vor uns. "Es ist echt schön." Ich verstehe für einen Moment nicht, was sie meint. "Naja. Das Christival. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schön sein würde. Mir hat eine Freundin schon davon erzählt, aber ich dachte in Deutschland gäbe es nicht so viele Christen." Ich starre sie an und versuche zu begreifen, was sie da gerade sagt. Sie erzählt, dass sie aus Rumänien kommt und sagt dann: "Ich habe schon viel erlebt, aber das jetzt ist wirklich toll. Solche Erinnerungen kann dir keiner nehmen. Es sind Momente, die man nicht in Worte fassen kann." Ich lächle und höre den Gesang aus der Halle hinter uns:
"Ich glaube an Gott den Vater und an Jesus seinen Sohn, an den Heiligen Geist der Kirche, an den dreieingen Gott..." 
Als sie zuende geraucht hat, stehen wir auf und schlüpfen zurück in die Halle. Ich wünsche ihr noch einen schönen Sonntag und verschwinde mit einem Lächeln in der Menge. Vielleicht war es gerade genau richtig zu weinen.

Vom 3. bis zum 8. Mai waren wir als Hochschule Tabor beim Christival 2016 in Karlsruhe als Mitarbeiter dabei. Thema war "Jesus versöhnt!" Ein Thema was heute brand aktuell ist, aber vor 8 Jahren beschlossen wurde.
5:30 am - Zeltplatz
Im Gegensatz zu den meisten anderen Studenten wurde ich aber den Ordnern zugeteilt und ich habe keine Ahnung was ich ursprünglich gewählt habe, jedenfalls erschien mir diese Aufgabe als die denkbar Ungünstigste, die man mir hätte geben können.
Um so erstaunlicher also, wie sehr ich mich in diese Aufgabe verliebt habe.
Das Dasein als Ordner beinhaltet zwar sehr viel Stehen, Herumlaufen und Einlasskontrollieren, aber die Tatsache, dass man mit gelber Weste auf einmal Autorität hat und Menschen (zumindest diese vielen netten Christen) auf mich gehört haben, war schon eine erholsame Erfahrung.
Weil dem Christival über die Hälfte der Ordner gefehlt haben, die normalerweise benötigt werden, musste jeder umso stärker mithelfen und ich konnte leider kaum bei Veranstaltungen dabei sein.
Trotzdem sind mir zwei Erinnerungen besonders ins Gedächtnis gebrannt: Die erste Veranstaltung war der WortWechsel, der jeden vormittag in den verschiedenen Hallen in unterschiedlicher Durchführung stattfand.
(Log in: Fragenbeantworten ala Voice of Germany, Plug in: Kopfhörerandacht mit drei Programmen, zwischen denen man wählen kann, Take it: Bibeltexte verstehen mit "Spielkarten", Spot on: Fragen darf auf wen das Licht fällt.)
Ganz abgesehen von der abgefahrenen Plug in Andacht, (man konnte zwischen drei Lobpreisstilen auswählen und sich den Bibeltext in Deutsch, Englisch, Platt und Nordbadisch anhören) habe ich besonders das Log in genossen.
Ein riesiger Saal liest gemeinsam in der Bibel. Dann überlegt sich jeder eine Frage, die er an den Text stellt, dann wird das gemeinsam in der Gruppe besprochen und schließlich gibt es vier Zuschauerblocks, die die Fragen an 4 Redner auf der Bühne stellen. Diese Redner sitzen in Sesseln wie bei Voice of Germany, mit dem Rücken zum Publikum. Wer nach dem Vorlesen der Frage zuerst den Buzzer drückt, hat eine Minute Zeit um die Frage zu beantworten.
Der Text handelte von der Gefangenschaftsszene von Paulus und Silas, wo sie Gott zur Ehre singen und Gott die Gefängnistüren und ihre Ketten sprengt.
Apg 16,23ff. (http://www.bibleserver.com/text/LUT/Apostelgeschichte16)
Es waren drei Männer und eine Frau und besonders die Antworten der Frau waren so gut, dass ich mich heute ärgere nicht mitgeschrieben zu haben. (Aber ich war im Dienst, also hätte ich da eh nicht einfach so das Handy zücken können).
Als die Frage kam, warum Gott denn alle Gefangenen frei gelassen hat, obwohl manche wirklich schlimme Dinge getan hatten, antwortete einer der Redner:
"Gnade ist unfair." Diesen Satz habe ich mir mitgenommen, weil er mir in dem Moment wieder deutlich gemacht hat: Gnade ist nicht verdient, oder weil wir so toll sind. Das Wesen von Gnade ist, dass es unverdient und geschenkt ist, obwohl wir Fehler machen. Und das gilt für uns genauso wie für jeden "schlimmen" Menschen. Jesus macht die Gefangenen frei: Alle!

Jesus.
versöhnt 
Mit Gott.
Unser "nur".
Unser "nichts geht mehr"
 Unser "es allen recht machen"
Nationen.
Uns selbst.
Gemeinde
Familien.
Feinde.
Mit dir.

1 Siehe, das ist mein Knecht - ich halte ihn - und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen.
2 Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.
3 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus.
4 Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.
5 So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Odem gibt und den Geist denen, die auf ihr gehen:
ch, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand und behüte dich und mache dich zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden,
7 dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker.
8 Ich, der HERR, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen.
9 Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es aufgeht, lasse ich's euch hören.

- Jesaja 42,1-9








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