Versteh mein nicht
"Was ist Wahrheit? Kannst du mir das sagen?" Der Mann sieht mich fragend an, aber eigentlich ist es keine Frage. Er hat die Antwort für sich schon gefunden: Es gibt keine Wahrheit.
Ich beiße mir auf die Lippen und starre zum tausendsen Male in meine bereits leere Kaffeetasse. Jesus sagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Wie häufig haben wir das im Kindergottesdienst gehört. Und ich glaube auch, dass es wahr ist, aber seine Reaktion auf meine Antwort ist genau so wie ich sie mir ausgemalt habe: Hä?
Und wieder merke ich wie mir die Worte ausgehen. Hier helfen keine Formeln. Hier brauche ich Klartext, aber wo steht der geschrieben?
Dieser kleine Ausschnitt stammt aus einem Gespräch, dass ich am vergangenen Donnerstag im "Why not" Café in Hamburg geführt habe. Dieses Wochenende ist mir auf vielerlei Weise sehr wichtig geworden, weil ich während dieser Zeit eine Menge erleben und mitnehmen durfte.
Da eine Freundin aus Japan zur Zeit dort ihr Praktikum macht, habe ich die Chance genutzt, bevor sie fliegt, sie einmal dort zu besuchen und mir auch zum ersten Mal Hamburg (oder überhaupt eine Stadt in Norddeutschland mal) anzuschauen.
Abgesehen von den Zug-ticket-Pannen, die mir als erfahrener Zugfahrerin wirklich peinlich sind, verlief alles nach Plan, allerdings nicht immer nach meinem. ;)
Niemals hätte ich damit gerechnet, dass dieses Wochenende so prägend sein könnte und würde. Hamburg selbst ist eine wunderschöne Stadt und ich habe mich sofort wohl gefühlt. (Und das muss einiges heißen, denn ich fühle mich für gewöhnlich in keiner großen Stadt wohl.)
Da meine Freundin unter der Woche Abends immer noch die Sprachklasse besucht musste ich mich Abends noch für zwei Stunden selber beschäftigen, aber das war gar nicht nötig. Ein großer, schlacksiger Mann setzte sich zu mir an meinen Tisch und wir begannen leichte Konversation zu betreiben.
Sein Haar war schon grau und reichte ihm bis zu den Schultern. Sein Gesicht war schon von Falten durchzogen und er sah alles andere als gesund aus, trotzdem hätte ich ihn erst für Ende fünfzig gehalten. Seine Fingernädel waren lang und seine Finger sahen knochig und viel dunkler als seine restliche Haut aus. Er machte überhaupt einen sehr heruntergekommenen Eindruck, aber seine Worte waren klar und deutlich und ich habe sehr schnell gemerkt, dass in diesem Kopf viel mehr drin steckt, als man von außen zu sehen meint.
Die nächsten zwei Stunden verbrachten wir in angeregtem Gespräch, das nur von (s)einer gelegentlichen Zigarettenpause unterbrochen wurde. Ich habe an diesem Abend sehr viel gelernt, vor allem wurde mir wieder bewusst, dass ich mit den Phrasen, die man so als guter Christ drauf hat, in so einem Gespräch nicht weit kommen konnte. Wir haben uns gegenseitig nicht geschont. Kein Satz durfte unhinterfragt verklingen. Aber vielleicht macht gerade das meine Faszination an unserer Unterhaltung aus.
Gottes Gerechtigkeit, Wahrheit, Liebe, Sinn, Mensch sein. Wie häufig geht es mir so, dass wenn ich die Bibel lese (und gerade im Neuen Testament passiert es mir häufig), dass ich eigentlich nicht verstehe, was ich da gerade lese. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich es an so vielen Stellen schon aufgegeben habe. Ich nehme es einfach nur noch als gegeben hin. Wird wohl stimmen was da steht.
Aber ich erinnere mich, dass ich genau deswegen Predigten so geliebt habe, die tiefere Exegese betrieben haben und die Bedeutung dieser Worte wie Wahrheit oder Gerechtigkeit wieder aus den Katakomben des christlichen Denkens geholt haben.
Umso enttäuschter war ich dann als ich im Griechisch Unterricht feststellen musste, dass es so einfach nicht war mit dem Finden von tiefen Geheimbotschaften. Viel zu häufig stand in meiner Übersetzung einfach genau das Gleiche wie in den anderen Übersetzungen und ich war frustriert, weil ich das Gefühl hatte dem Verständnis des Textes keinen Schritt näher gekommen zu sein.
(Jetzt in BTA (Biblische Texte auslegen) und Dogmatik lerne ich das endlich langsam.)
Das Problem ist aber viel zu häufig: Wie kommuniziert man dann aber diese ganzen Erkenntnisse wieder nach draußen? Für mich selber kann ich erkannt haben, dass Jesus mein Retter ist. Ich kann für mich sagen, dass Gott drei in eins und deshalb Liebe ist. Ich kann sagen, dass er der gute Hirte, immer da, unendlich, allwissend und heilig ist. Aber es ist eine vollkommen legitime Antwort darauf zu sagen: Hä?
Ich habe mich letztens also nochmal beim Dogmatik Lernen hingesetzt und überlegt was das eigentlich heißt was ich da so einfach vor mich hinsage: Das Ergebnis ist immer noch kryptisch, aber mir ist dadurch vieles klarer geworden und ich wünsche mir mehr solcher Begegnungen wo ich heraus gefordert werde nicht in Christentümisch, sondern in Weltländisch zu sprechen. :)
Ich glaube, was passiert, wenn wir mit Gott eine Beziehung eingehen und er uns heiligt, dass das ein Prozess der Heilung ist.
Gottes Gerechtigkeit heißt Wiederherstellung.
Seine Heiligung bedeutet Ganzmachung.
Seine Vergebung bedeutet Versöhnung.
Wenn Sünde heißt, dass der Mensch Gott nicht Gott sein lassen will, sondern etwas anderes oder sogar sich selbst an diese Stelle setzt, dann heißt Überwindung der Sünde, dass wir Gott wieder den 1. Platz geben, der ihm schon immer zusteht.
Dann heißt Glauben, eine Beziehung der Liebe führen mit diesem Gott.
Dann ist sein Tod am Kreuz Ausdruck dieser tiefsten Liebe, als Gott sich selber gab für mich.
Dann heißt Rechtfertigung, dass von Jesus gehaltene Leben über die Schwelle des Todes.
Dann sind unsere "Werke" keine Bedingung, sondern Ausdruck der Überwindung der Sünde und Folge seiner erste Liebe zu uns, die das steinerne Herz in unserer Brust wieder lebendig und fähig zur Liebe für Gott und für andere macht.
Dann heißt mein Kreuz auf mich nehmen, die Annahme meiner Umstände und Nachfolge heißt gehen im Vertrauen darauf, dass Jesus jeden meiner Schritte begleitet.
Dann ist Liebe für Gott, Liebe für andere und alles was er geschaffen hat, einschließlich mich.
Dann ist Christus in mir, das Licht, das mich zum Leuchten bringt in den Formen mit denen er mich von Anfang an designed hat und ist Leben das Ausmalen dieser Formen mit dem Farbkasten seiner Kreativität.
Heißt ich selber werden, dass ich heil werde, durch den heilenden heiligen Gott.
Dann sind die Werke Früchte, die wachsen, nicht durch mein Ziehen, sondern durch das Bescheinen mit seiner Liebe und begießen mit seinem lebendigen, das heißt Leben schaffenden, Wort.
Dann ist Umkehr der Schritt nach Hause und in die offenen Arme des Vaters. Meines Vaters.
Ich beiße mir auf die Lippen und starre zum tausendsen Male in meine bereits leere Kaffeetasse. Jesus sagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Wie häufig haben wir das im Kindergottesdienst gehört. Und ich glaube auch, dass es wahr ist, aber seine Reaktion auf meine Antwort ist genau so wie ich sie mir ausgemalt habe: Hä?
Und wieder merke ich wie mir die Worte ausgehen. Hier helfen keine Formeln. Hier brauche ich Klartext, aber wo steht der geschrieben?
Vor dem Rathaus in Harburg |
Da eine Freundin aus Japan zur Zeit dort ihr Praktikum macht, habe ich die Chance genutzt, bevor sie fliegt, sie einmal dort zu besuchen und mir auch zum ersten Mal Hamburg (oder überhaupt eine Stadt in Norddeutschland mal) anzuschauen.
Abgesehen von den Zug-ticket-Pannen, die mir als erfahrener Zugfahrerin wirklich peinlich sind, verlief alles nach Plan, allerdings nicht immer nach meinem. ;)
Niemals hätte ich damit gerechnet, dass dieses Wochenende so prägend sein könnte und würde. Hamburg selbst ist eine wunderschöne Stadt und ich habe mich sofort wohl gefühlt. (Und das muss einiges heißen, denn ich fühle mich für gewöhnlich in keiner großen Stadt wohl.)
Da meine Freundin unter der Woche Abends immer noch die Sprachklasse besucht musste ich mich Abends noch für zwei Stunden selber beschäftigen, aber das war gar nicht nötig. Ein großer, schlacksiger Mann setzte sich zu mir an meinen Tisch und wir begannen leichte Konversation zu betreiben.
Sein Haar war schon grau und reichte ihm bis zu den Schultern. Sein Gesicht war schon von Falten durchzogen und er sah alles andere als gesund aus, trotzdem hätte ich ihn erst für Ende fünfzig gehalten. Seine Fingernädel waren lang und seine Finger sahen knochig und viel dunkler als seine restliche Haut aus. Er machte überhaupt einen sehr heruntergekommenen Eindruck, aber seine Worte waren klar und deutlich und ich habe sehr schnell gemerkt, dass in diesem Kopf viel mehr drin steckt, als man von außen zu sehen meint.
Lagersiedlung |
Gottes Gerechtigkeit, Wahrheit, Liebe, Sinn, Mensch sein. Wie häufig geht es mir so, dass wenn ich die Bibel lese (und gerade im Neuen Testament passiert es mir häufig), dass ich eigentlich nicht verstehe, was ich da gerade lese. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich es an so vielen Stellen schon aufgegeben habe. Ich nehme es einfach nur noch als gegeben hin. Wird wohl stimmen was da steht.
Aber ich erinnere mich, dass ich genau deswegen Predigten so geliebt habe, die tiefere Exegese betrieben haben und die Bedeutung dieser Worte wie Wahrheit oder Gerechtigkeit wieder aus den Katakomben des christlichen Denkens geholt haben.
Umso enttäuschter war ich dann als ich im Griechisch Unterricht feststellen musste, dass es so einfach nicht war mit dem Finden von tiefen Geheimbotschaften. Viel zu häufig stand in meiner Übersetzung einfach genau das Gleiche wie in den anderen Übersetzungen und ich war frustriert, weil ich das Gefühl hatte dem Verständnis des Textes keinen Schritt näher gekommen zu sein.
(Jetzt in BTA (Biblische Texte auslegen) und Dogmatik lerne ich das endlich langsam.)
Das Problem ist aber viel zu häufig: Wie kommuniziert man dann aber diese ganzen Erkenntnisse wieder nach draußen? Für mich selber kann ich erkannt haben, dass Jesus mein Retter ist. Ich kann für mich sagen, dass Gott drei in eins und deshalb Liebe ist. Ich kann sagen, dass er der gute Hirte, immer da, unendlich, allwissend und heilig ist. Aber es ist eine vollkommen legitime Antwort darauf zu sagen: Hä?
Ich habe mich letztens also nochmal beim Dogmatik Lernen hingesetzt und überlegt was das eigentlich heißt was ich da so einfach vor mich hinsage: Das Ergebnis ist immer noch kryptisch, aber mir ist dadurch vieles klarer geworden und ich wünsche mir mehr solcher Begegnungen wo ich heraus gefordert werde nicht in Christentümisch, sondern in Weltländisch zu sprechen. :)
Ich glaube, was passiert, wenn wir mit Gott eine Beziehung eingehen und er uns heiligt, dass das ein Prozess der Heilung ist.
Gottes Gerechtigkeit heißt Wiederherstellung.
Seine Heiligung bedeutet Ganzmachung.
Seine Vergebung bedeutet Versöhnung.
Wenn Sünde heißt, dass der Mensch Gott nicht Gott sein lassen will, sondern etwas anderes oder sogar sich selbst an diese Stelle setzt, dann heißt Überwindung der Sünde, dass wir Gott wieder den 1. Platz geben, der ihm schon immer zusteht.
Dann heißt Glauben, eine Beziehung der Liebe führen mit diesem Gott.
Dann ist sein Tod am Kreuz Ausdruck dieser tiefsten Liebe, als Gott sich selber gab für mich.
Dann heißt Rechtfertigung, dass von Jesus gehaltene Leben über die Schwelle des Todes.
Dann sind unsere "Werke" keine Bedingung, sondern Ausdruck der Überwindung der Sünde und Folge seiner erste Liebe zu uns, die das steinerne Herz in unserer Brust wieder lebendig und fähig zur Liebe für Gott und für andere macht.
Dann heißt mein Kreuz auf mich nehmen, die Annahme meiner Umstände und Nachfolge heißt gehen im Vertrauen darauf, dass Jesus jeden meiner Schritte begleitet.
Dann ist Liebe für Gott, Liebe für andere und alles was er geschaffen hat, einschließlich mich.
Dann ist Christus in mir, das Licht, das mich zum Leuchten bringt in den Formen mit denen er mich von Anfang an designed hat und ist Leben das Ausmalen dieser Formen mit dem Farbkasten seiner Kreativität.
Heißt ich selber werden, dass ich heil werde, durch den heilenden heiligen Gott.
Dann sind die Werke Früchte, die wachsen, nicht durch mein Ziehen, sondern durch das Bescheinen mit seiner Liebe und begießen mit seinem lebendigen, das heißt Leben schaffenden, Wort.
Dann ist Umkehr der Schritt nach Hause und in die offenen Arme des Vaters. Meines Vaters.
HSV vs. Freiburg |
Blick auf den Hafen in Altona |
Miniatur Wunderland - Italia |
Blick von St. Petri |
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