Question - Answers II
"Merry Christmas!" "Dozo!" "Kurisumasu Pa-tî desu!"
Wieder eine Dreier-Gruppe von Mädchen schiebt sich an mir vorbei, beäugen misstrauisch den Flyer in meiner Hand und steigen schnell die Treppe hinunter zum Eingang des Bahnhofs.
Ein Mädchen das hinter ihnen läuft, lächelt mich an als ich ihr den Flyer hinhalte und nimmt ihn an.
Eine Minute ist wieder nichts los. Die Zeiger auf der Uhr neben dem Taxistand bewegen sich viel zu langsam. Ich hüpfe von einem Bein auf das andere um nicht an Ort und Stelle am Boden fest zu frieren.
Der Alarm am Übergang geht wieder los. Bing Bing Bing Bing Bing Bing Bing Bing. Der Zug kommt. Dieses Mal aus Nagoya. Wenige Augenblicke später bin ich wieder am hin und her rennen. High School, Uni, Middle School. Männer in Anzügen und alte Frauen mit Krückstock. Jungen, Mädchen. Sie laufen an mir vorbei zu den Taxis, in den Conbini, weg.
Zwei junge Männer fallen mir auf. Ich kann ihr Alter nicht wirklich einschätzen, weil der Eine eine Maske und eine Kappe trägt und der andere sich auch die Kapuze über den Kopf gezogen hat, aber sie scheinen nicht viel älter als 21 zu sein. Eigentlich... Ich halte dem Mädchen, das hinter ihnen läuft den Flyer hin.
Als der Strom langsam wieder verebbt und ich mir einen neuen Pack Flyer nehme, merke ich wie mich der mit der Maske und der Kappe immer wieder von der Seite anstarrt. Ich trete ein wenig verlegen auf der Stelle. Eigentlich würde ich die zwei in die Kategorie: Sprich mich an und du bist tot, einordnen. Es hat sowieso schon ziemlich lange gedauert bis ich mich auch dazu überwunden habe Jungen den Flyer zu geben. (Sie haben Angst vor mir und ich vor ihnen). Und jetzt soll ich zu den harten Jungs da rüber gehen? Aber er sah irgendwie interessiert aus.
Ich fasse mir ein Herz und ... hüpfe? tänzel? ...naja...ich stehe jedenfalls einen Augenblick später neben ihnen und halte dem mit der Maske mit einem Lächeln den Flyer hin. "Konnichiwa. Kurisumisu Pati desu."
Er streckt tatsächlich sofort die Hand aus und mein Herz setzt einen Moment aus als ich auf sein Handgelenk starre. Im nächsten Augenblick stehe ich wieder an meinem Platz und beobachte ihn aus den Augenwinkeln.
Tatoos in Japan haben häufig einen eher schlechten Beigeschmack und das nicht, weil die Japaner das nicht schicklich finden aus Prinzip sondern eher, weil hier eine gewisse Untergrundorganisation-deren-Name-nicht-genannt-werden-darf ihre Mitglieder gerne mit ein paar Mustern verschönert.
Aber er liest den Flyer sehr aufmerksam, dreht ihn um, schaut sich die Werbung für unseren Sunday Worship an, dreht und wendet und liest sicher 5 Minuten. Im Stillen bete ich. Irgendwie hoffe ich das er kommt. Gott hat Humor und er liebt diesen jungen Mann genauso wie mich. So who am I to judge?
Wie man das bei deutschen Kirchen auch nicht sagen kann. Es gibt viel Programm, für viele verschiedene Jahrgänge und Geschmäcker.
Bis April, war die Ai Hope Church noch bekannt unter dem Namen "Hope Youth Center". Das beschreibt eigentlich ganz gut was die hauptsächliche Zielgruppe der Ai Hope Church ist: Jugendliche und Studenten.
Wer dann tatsächlich kommt ist dann noch mal was anderes. :D
Jungs, die die Schule abgebrochen haben und jetzt in der Fabrik arbeiten und in ihrer Freizeit Yu-Gi-Oh! auf Pro-level spielen.
Büroangestellte. Schüler, Schüler und Studenten. Leute aus der Inazawa Gemeinde und einfach welche die noch so vorbei schneien. Freunde von Freunden.
Hier ein paar Alltagsbilder:
(1) Open Hope, jeden Mittwochabend
(2) Kids English, Freitag-Samstag (alle zwei Wochen
(3) Sunday Worship, einmal im Monat
Wie sieht denn der normale Alltag eines Japaners aus?
Ich will keinem Japaner Unrecht tun, mit dem was ich hier fabriziere, denn natürlich ist kein Alltag identisch, aber damit ihr trotzdem mal ein wenig Einblick habt: Hier ein Kommentar von einem japanischen Freund in seinem letzten Jahr Kôkô (High School):
I wake up at 6:30. And I prepare for school within 30 minutes. I leave my home at 7:00. Normally, japanese high school students must arrive at school by 8:30. Then at my school we have 7-9 lessons in a day. It depends on the day if we have 7 lessons, or 9, or 8. Normally the school ends at 6:00. And at home I study from 8:00-11:00, for 3 hours. And sleep.
Für die Arbeitenden unter euch: Eine Anekdote eines Japaners der jetzt in Deutschland lebt:
Als ich einmal schon um halb sieben zu Hause war, fragte mich meine Frau total überrascht: Was ist passiert? Hast du deinen Job nicht gut gemacht? Bist du gefeuert worden? Ein Arbeitstag von 8.30 Uhr bis neun Uhr abends ist bei japanischen Firmen völlig normal. Es gab auch eine Zeit, da musste ich mich beeilen, meine letzte Bahn um Mitternacht zu bekommen. Vom Büro brauchte ich in Tokio noch eine Stunde nach Hause. Lange Arbeitszeiten sind in Japan üblich, vor allem im Dienstleistungssektor. Sie sind ein Zeichen, dass man immer für den Kunden da ist. So verbringen Sie wesentlich mehr Zeit mit den Kollegen als mit ihrer Familie.
Read more:
http://www.sueddeutsche.de/karriere/ein-japaner-in-deutschland-zum-ersten-mal-zweieinhalb-wochen-am-stueck-frei-1.1167437
Wie sieht ein japanischer Gottesdienst aus?
There are really only few teenagers in Japanese services. So I changed church two times. For me, the first and second church were such boring churches. And messages are a little bit long for me. At the end of that, my attitude is worse than at the beginning. But I like to worship God.
Drei Dinge finde ich an seiner Ausführung so interessant:
1. Nur wenige Jugendliche (Japanische Kirchen haben in diesem Punkt also genau die gleichen Probleme wie auch in Deutschland)
2. Lange Predigten
3. Worship ist wichtig
Gerade die beiden letzten Punkte sind wichtig wenn es darum geht wie ein Japanischer Gottesdienst abläuft. (An dieser Stelle wieder: Ich war nicht in jeder einzelnen Kirche. Was ich hier schreibe basiert auf meinen Erfahrungen aus der Inazawa Church. Bitte verzeiht mir, wenn ihr es anders macht!)
Gottesdienst vom 12.10.14
- Der Gottesdienst startet um 10:30 Uhr mit der Praise Time (3 Lieder).
- Begrüßungszeit. Meistens während dem zweiten Lied ist Zeit für jeden durch den Gottesdienstraum zu pilgern und die anderen zu begrüßen. Das ist wortwörtlich immer ein großes Hallo! :D
- Offizielle Begrüßung
- Bibelstelle
- Lied
- Gebet
- Lesung
- Gebet
- Lied
- (Dann gehen die Kinder in den Kindergottesdienst)
- Predigttext
- Predigt (Um auf Punkt 2 zurück zu kommen: Bei Predigten gilt die Japanische Weisheit: "Unter 30 Minuten? Das ist doch keine Predigt!" Siehe oben, die Meinung der japanischen Jugend. ;) )
- 2 Lieder
- Kollekte
- Gebet
- Bibelvers der Woche (Das ist immer ziemlich lustig: Alle lesen gemeinsam den Vers plus Buch, Kapitel und Vers Nummer.)
- Ankündigungen (und das dauert!)
- gemeinsames Mittagessen <3 (Das finde ich immer sehr cool, statt dass man noch nach Hause hetzt und sich Improvisiertes zusammen mixt: für 300Yen, bei aktuellem Kurs knapp 2€, lecker zusammen chillen :) )
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Worship und Gebet sind super wichtig. Und Japaner beten lange! Wirklich lange. Und sie predigen noch länger. Das kann auf Dauer wirklich anstrengend sein, gerade wenn man die Sprache halt nicht versteht. Aber noch ganz wichtig: Gemeinschaft, man begrüßt sich, jemand der neu gekommen ist, wird vorgestellt und somit in die Gruppe gleich mit rein genommen.
Der Gottesdienst endet ungefähr um 12:15. (Mit Ankündigung)
Das Essen danach. Gegen halb 2 bin ich dann spätestens wieder Zuhause.
Das Essen danach. Gegen halb 2 bin ich dann spätestens wieder Zuhause.
Was glauben die Menschen denn sonst?
Hier nochmal ein Kommentar: :)
In my school, Atheism is more common than buddhism. So for example in ethic class, a teacher asks us what we think about [ethic] questions. But most of [my classmates] still don't have answers for it.
Buddhistischer Tempel, Ôsu Kannon |
Aber kommen wir zurück zur Religion.
Japaner sind zu 60% Buddhisten, zu 70% Shintoisten und zu 80% Atheisten.
Japaner können die Regeln der Mathematik überwinden und Shintoisten und Buddhisten sein, ohne an eines von beidem zu glauben. ^^
Ein durchschnittlicher Japaner wächst shintoistisch auf, heiratet christlich und wird buddhistisch begraben.
Tatsächlich spielt gerade Shintoismus im Alltag jedes Japaners eine große Rolle:
1. Essen: Man legt die Hände zusammen und sagt "Itadakimasu" (Danke für das Essen bzw. Danke, dass du für mich gestorben bist). Laut dem Shintoismus wohnen nämlich auf jedem Reiskorn 7 Götter. Ich bezweifle aber, dass dieses Bedanken bei den Naturgöttern noch große Bedeutung außer Tradition hat.
2. Es stehen überall Schreine, große, kleine, ganz kleine. Manchmal nur Steine mit einer Schürze und Münzen davor.
3. Selbst in der Firma müssen manche Riten des Shintoismus durch geführt werden, nur mal so zur Sicherheit. ^^
4. Es finden viele Shintoistische Feiern im Jahr statt. Kinder werden gesegnet, oder wie im Oktober: "Inazawa Festival" (alles findet rund um den Schrein statt)
5. Was ja jetzt auch demnächst ansteht: Silvester. Traditionell geht man um Mitternacht dann zum Schrein mit der Familie.
6. Man kann Amulette kaufen, die vor Unheil schützen sollen, oder den Schülern bei den Tests gute Noten eintragen sollen.
uvm.
Trotzdem, obwohl so viel Shintoismus im Leben der Japaner zu finden ist, scheint kaum einer wirklich daran zu glauben. Aber man hält sich halt trotzdem daran, wer weiß was sonst passiert?
ein Schrein in Inazawa |
http://www.amazon.com/Unseen-Face-Japan-David-Lewis/dp/1908860030
Wurde mir sehr empfohlen.
Ich hoffe ihr hattet ein Freude beim Lesen und konntet ein bisschen was Neues lernen über Japan.
Wenn ihr noch weitere Fragen habt:
Uff damit in die Kommentarbox unten, oder über facebook, ODER über die E-Mail Adresse, die ich euch auf meine neu erstellte KONTAKT Seite geschrieben habe. :D
Euch eine gesegnete Adventszeit!
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