Die Kunst des Atmens

"Daijobu?" (Alles ok?) Die kleine Frau lächelt mich freundlich an. Ich beiße die Zähne zusammen, lächle und sage "Hai. Daijobu!" (Ja. Schon in Ordnung.) Huup. Ich ziehe scharf die Luft ein, als die Bänder mir die Taille zuschnüren.
Schicht um Schicht. Band für Band wird dieser Panzer von einem Kleid an mich gebunden.
Hier noch eine Falte glatt gestrichen. An meinem Nacken gezupft. Wieder alles aufgemacht und neu gebunden.
Besonders die Schleife am Schluss braucht ein Viertel der Zeit.
Am Schluss trennen 7 verschiedene Stoffe und Bänder meine Taille von der freien Luft. Ich klopfe testend gegen diesen stichfesten Bauchpanzer und spüre nichts außer beklemmende Enge.
Man hört ja manchmal von Frauen, die Dinge in ihren Kimonos verstecken konnten. Es ist mir ein Rätsel. Ich schaffe es gerade noch mein Handy in eine der Falten zu stecken für mehr ist einfach kein Platz.
Als sie sich an meine Haare machen, schließe ich die Augen und konzentriere mich nur auf das Gefühl wie ihre Finger durch meine Haare fahren. Ich will mich überraschen lassen.
Ich scheine es ihnen nicht ganz einfach zu machen. Zwischenzeitlich höre ich drei von ihnen darüber diskutieren, was sie mit mir machen sollen. Meine Haare sind einfach noch zu kurz.
Am Schluss flechten sie mir an jeder Seite einen Mozartzopf und stecken dann alles mit Haarschmuck und Klammern fest.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der blaue Stoff fällt weich (aber schwer). Die Ärmel reichen fast bis zum Boden und die Schleife auf meinem Rücken sieht aus wie ein silbernes Geschenk.
Wer schön sein will, muss leiden. Es hat sich jedenfalls gelohnt.

Dank der Gemeinde des Bundes in Kasamatsu durften wir (Desi, Lena, Judith und ich) einen ganzen Vormittag in teuren Kimonos verbringen. Fast ein ein halb Stunden brauchte es bis wir alle ordentlich verpackt und frisiert waren.
Ich muss ehrlich zu geben. Ich habe die Japaner unterschätzt. Anscheinend war es in jeder Kultur zu einer bestimmten Zeit in Mode sich zuzuschnüren bis man fast in Ohnmacht fiel.
Aber nach einer Weile hatte ich mich daran gewöhnt und auch das Laufen in den kleinen Plato-Slippern war bald kein Problem mehr.
Trotzdem frage ich mich, wer auf dieses Schnittmuster und diese vielen Schichten gekommen ist.
Mein Gefühl wenn ich an Kimonos denke: Eine Mischung aus Faszination und Platzangst. ^^
Aber im Großen und Ganzen war es ein wunderschöner Tag und die Geschwister waren super freundlich und hilfsbereit. Wir durften sogar professionelle Bilder im Foto-Studio von einem aus der Gemeinde machen.
Die richtige Haltung:
Der linke Fuß ein wenig nach innen gedreht, sodass die Fußspitze die Innenseite des rechten Fußes berührt.
Das linke Bein ein wenig angehoben während man sich auf das rechte Bein stützt.
Der Rücken gerade, aber nach links zur Kamera gewendet.
Das Gesicht muss frontal, aber mit dem Kinn nach unten in die Kamera schauen.
Und jetzt lächeln.
Twister im Kimono. (Bilder folgen)
Nach dem Auspacken, das übrigens nur 5 Minuten benötigte, fuhren Judith und ich direkt in die Ai Hope Church, da am Abend die Prayer Night stattfinden sollte.
Es war ein sehr gelungener Abend mit einer tollen Band (hehe), viel Gebet, super Essen und tiefen Gesprächen.

Seit einer Woche bin ich leider etwas angeschlagen und die Behandlung mit dem Kimono war doch etwas aufreibender als erwartet. Bauchschmerzen, Übelkeit und Kopfschmerzen geben sich die Klinke in die Hand. Nach einigem Ringen hatte ich mich dazu entschlossen, heute zum Arzt zu gehen.
Die Diagnose: Magen-Darm-Entzündung. Krank geschrieben bin ich nicht, dafür aber mit den unterschiedlichsten Pülverchen und Tabletten versorgt. In  3 Tagen soll es spätestens weg sein.

Am Samstag Abend hatten wir Shortie-Hauskreis mit dem Thema: Vision, Ziele, Lebensplanung.
Ich bin mir inzwischen ziemlich sicher, was nach diesem Jahr auf mich wartet und Gott hat sich bisher auch nur positiv zu meinen Plänen, nach Tabor zu gehen, geäußert. Jetzt muss das nur Tabor auch so sehen. :D
Aber ich musste feststellen, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt zwar Pläne, aber keine Träume oder großen Wünsche hatte und es mir daher unglaublich schwer fällt, meine Projekte über längere Zeit am Leben zu erhalten.
Das hat sich zumindest teilweise geändert. Seit Sonntag habe ich das Projekt: Abnehmen. ^^ Und zwar nicht zu wenig. 9 Kilo sollen purzeln. Na mal schauen ob das was wird und ob ich das dieses Mal bis zum Ende durchziehe.
Der erste Schritt ist jedenfalls getan: Seit gestern habe ich auch eine Waage.

35 Danach zog Jesus durch die Städte und Dörfer. Er sprach in den Synagogen und verkündete überall im Land die rettende Botschaft von Gottes neuer Welt. Wohin er auch kam, heilte er alle Krankheiten und Leiden. 
36 Als er die vielen Menschen sah, hatte er großes Mitleid mit ihnen. Sie waren hilflos und verängstigt wie eine Schafherde ohne Hirte.
37 "Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter", sagte Jesus zu seinen Jüngern. 
38 "Darum bittet den Herrn, dass er noch mehr Arbeiter aussendet, die seine Ernte einbringen!" 

Dieses Motto steht über diesem Jahr 2015 für die Ai Hope Church. Tatsächlich wird so viel Not und Unsicherheit offen gelegt in den Gesprächen, die wir wöchentlich führen, aber an die wir uns schon so gewöhnt haben, dass wir sie kaum noch als ungewöhnlich empfinden.
Jeder fühlt sich einsam. Jeder hat mal nen schlechten Tag. Jeder hat schon jemanden verloren, der ihm wichtig war. Aber haben wir in solchen Moment nicht schon aufgegeben?
Was sehen wir als Ernte an? Ist es erst der Moment, wenn ein Mensch auf uns zu kommt, der sagt: Ich will zu Jesus gehören. Wie mach ich das?
Sie waren hilflos und verängstigt wie eine Schafherde ohne Hirte. 
Ich bete dafür, dass Gott mir die Kraft, die Liebe und die Worte gibt auf die Menschen um mich herum zu zu gehen, die noch nichts von Jesus wissen, Freundin zu sein und Perspektive zu geben. Wir haben den Grund gefunden! Warum zeigen wir nicht auf die Lichtquelle?




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tagebuch einer Auswanderin - September: Der Umzug

私の夢 ・ わたしのゆめ ・ Mein Traum

Und plötzlich steht die Welt Kopf...