Agents of life

Hesekiel 47,1-9
Predigt vom 29.10.17

Guten Abend!
Mein Name ist Mirja Lenhard. Die meisten kennen mich vermutlich schon vom Sehen. Ich bin im vergangenen Semester hier immer mal wieder rein geschneit und hab mit ein paar von euch auch schon reden können. Ich freue mich sehr, heute Abend hier zu sein und das erste Mal für euch zu predigen.
Der Predigttext, den ich mir für diese Woche ausgesucht habe, steht in Hesekiel Kapitel vier, die Verse eins bis neun.

"Und er führte mich wieder zu der Tür des Tempels. Da floss ein Wasser heraus unter der Schwelle des Tempels nach Osten; denn die vordere Seite des Tempels lag gegen Osten. Und das Wasser lief unten an der südlichen Seitenwand des Tempels hinab, südlich am Altar vorbei. Und er führte mich hinaus durch das Tor im Norden und brachte mich außen herum zum äußeren Tor im Osten; und das Wasser entsprang seiner südlichen Seitenwand.
Und der Mann ging heraus nach Osten und hatte eine Messschnur in der Hand, und er maß tausend Ellen (~584m) und ließ mich durch das Wasser gehen; da ging es mir bis an die Knöchel. Und er maß abermals tausend Ellen und ließ mich durch das Wasser gehen: Da ging es mir bis an die Knie; und er maß noch tausend Ellen und ließ mich durch das Wasser gehen: Da ging es mir bis an die Hüfte. Da maß er noch tausend Ellen: Da war es ein Strom, so tief, dass ich nicht mehr hindurchgehen konnte; denn das Wasser war so hoch, dass man schwimmen musste und nicht hindurchgehen konnte.
Und er sprach zu mir: Hast du das gesehen, Menschenkind? Und er führte mich zurück am Ufer des Flusses entlang. Und als ich zurück kam, siehe, da standen sehr viele Bäume am Ufer auf beiden Seiten. Und er sprach zu mir: Dies Wasser fließt hinaus in das östliche Gebiet und weiter hinab zum Jordan-tal und mündet ins Tote Meer.
Und wenn es ins Meer fließt, soll dessen Wasser gesund werden, und alles, was darin lebt und webt, wohin der Strom kommt, das soll leben. Und es soll sehr viele Fische dort geben, wenn dieses Wasser dorthin kommt; und alles soll gesund werden und leben, wohin dieser Strom kommt."


Mir ist dieser Text im vergangenen Jahr sehr wichtig geworden.
Vor einem Jahr haben wir diese Stelle in einem Unterrichtsfach in Tabor genauer unter die Lupe genommen. Die Aufgabe war, dass wir über diesen Text nachdenken sollten. Und irgendwie hat er mich in den nächsten Tagen und Wochen nicht mehr los gelassen.  
Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt eher einen Bogen um die Propheten und besonders Hesekiel gemacht. Irgendwie hatte ich, wenn ich an Hesekiel dachte, immer nur seine Gerichtsandrohungen im Kopf. Umso überraschter und auch berührter war ich, als ich diesen Text zum ersten Mal bewusst wahrgenommen habe. Und ich bin besonders an einem Wort hängen geblieben, dass für mich ein Schlüsselwort in diesem ganzen Text ist: gesund.
Ich lese nochmal den letzten Vers: ...und alles , was darin lebt und webt, wohin der Fluss kommt, das soll leben. Und es soll sehr viele Fische dort geben, wenn der Fluss dorthin kommt. Und alles soll gesund werden und leben, wohin dieser Strom kommt.
Gesund werden und leben.
Ich bin die älteste Tochter einer Seelsorgerin und eines Arbeitstherapeuten. 16 Jahre meines Lebens habe ich mit meiner Familie neben der Klinik Hohe Mark in Oberursel gewohnt, wo meine Eltern beide arbeiten. Und ich habe früh gelernt, dass wir nicht nur körperlich, sondern auch geistig und seelisch krank sein können. Und das macht auch bei Christen keinen Halt. Aber als ich diesen Text, dieses Wort „gesund“, in Hesekiel gelesen habe, da fühlte es sich an, als würde in meinem Herzen eine Tür aufgehen: Gottes tiefer, inniger Wunsch für uns ist, dass wir gesund werden und leben. Und er wünscht sich das nicht nur: Er tut es. Er macht, dass es geschieht.

1. Der Tempel als Ursprung des Heils

Die Situation, in die Hesekiel hier spricht, ist wirklich alles andere als rosig. Nach sechs Jahren Gerichtsankündigungen gegen Israel ist es tatsächlich soweit. Jerusalem wird belagert und erobert. Die Oberschicht des Volkes, unter ihnen Hesekiel, wird verschleppt und nach Babylon gebracht. Schließlich wird auch der Tempel zerstört. Das Heiligtum. Das Haus Gottes. Der Ort wo, die Israeliten Gott begegnen können. Zerstört.
Und in diese Hoffnungslosigkeit, in diese Trauer und vermutlich auch Angst, spricht Gott, durch Hesekiel, seinem Volk im Exil wieder Trost zu.
Hesekiel berichtet von dem Strom, der aus dem Tempel fließt. Direkt aus dem Allerheiligsten, vorbei am Altar und hinaus in die Wüste.
Das Bild vom Tempel geht hier viel tiefer, als wir das im ersten Moment vielleicht spüren. Was Gott hier deutlich macht ist, dass er immer noch der Gott Israels ist. Der Tempel ist seine Botschaft an sein Volk: Ich bin da. Ich bin immer noch hier. Ich habe euch nicht im Stich gelassen. Ich bin da. Und aus mir kommt das Leben, nachdem ihr euch sehnt.
Gott ist die Quelle des Lebens.
Bei ihm finde ich das, was ich wirklich brauche.
Und ich muss euch gestehen, dass ich das sehr häufig vergesse und mit meinen Problemen überall hingehe und erst als Allerletztes fällt mir Gott auch noch ein.
Aber ich möchte das lernen.
Ich möchte lernen in dem was mich bedrückt, in dem was mir zu schaffen macht und mir das Leben schwer macht. In dem möchte ich lernen zu Gott zu gehen und ihm zu vertrauen, dass er mein Herz, meine Wüste kennt und dass er mir neue Kraft und neues Leben geben kann. Wenn meine Kamera kaputt geht, was ich nicht hoffe, dann würde ich sie auch nicht zum Schreiner schicken, sondern zum Kamera-Hersteller, weil der sich, im besten Fall, damit auskennt. Ich glaube unser Hersteller kennt sich sehr gut mit uns aus.

2. Der Fluss, der Totes lebendig macht

Der Fluss, den Hesekiel beschreibt, ist wirklich faszinierend. In dreierlei Hinsicht:
1. Er wird scheinbar von alleine größer.
2. Er fließt von Jerusalem bis ins Tote Meer, was physikalisch unmöglich ist, wegen der Berge und wegen der klimatischen Bedingungen.
3. Überall wo dieser Fluss hinkommt beginnt Leben.

Die Punkte eins und zwei überspringe ich einfach mal. Sie zeigen uns einfach, dass es sich bei dieser Erzählung Hesekiels um ein Bild handelt. Wobei ich nicht daran zweifle, dass Gott diese Dinge tun kann, wenn er möchte.
Aber weiter zu Punkt drei. Der Verlauf des Flusses ist geprägt von Gegensätzen. Er fängt als leichtes Tröpfeln an und wird zum großen Fluss. Er beginnt im Tempel, Ort von Gottes Gegenwart und damit des Lebens und „endet“ im Toten Meer, dem Inbegriff von Tod. Und ich setze „endet“ absichtlich in Anführungszeichen. Weil dieser Fluss, entgegen aller chemischen Gesetze, nicht von dem Salz ebenfalls "tot" wird.
Sondern, was passiert ist, dass der Fluss das Tote Meer, wie es hier heißt, „gesund“ macht und Leben bringt.
Gott sendet hier die unmissverständliche Botschaft: Ich mache das Unmögliche möglich. Ihr glaubt vielleicht der Weg ist hier zu Ende. Ihr denkt: Alle Hoffnung ist begraben. Der Tod ist das Einzige was bleibt. Aber ich sage euch: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Ich bin viel stärker. Wo dieser Fluss hinkommt, da hat der Tod keine Macht mehr. Da regiert das Leben.
Ich war neun Jahre alt, als mein Großvater starb. Er hat ein Jahr an ALS gelitten bevor er starb und wir waren mit unser Familie bei ihm in diesen letzten Stunden.
ALS ist keine schöne Krankheit und mein Großvater hat sehr gelitten während dieser Zeit. Sein Leben lang war er Christ, aber in diesem Jahr hat er so stark an Gott gezweifelt wie noch nie. Meine Großmutter hat ihn nie aufgegeben. Sie hat mit und für ihn gebetet und ihm aus der Bibel vorgelesen. Ich war zu jung um zu begreifen womit er zu kämpfen hatte und ich weiß nicht wie er seinen Frieden mit Jesus gemacht hat, aber er hat sich damals gewünscht, dass auf seinem Grabstein die Worte von Jesus aus Johannes 11,27 stehen sollen: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ Diese Worte sind seitdem stete Begleiter in meinem Leben gewesen.
In Jesus hat Gott wirklich gezeigt, dass der Tod nicht das Ende ist. In Jesus ist Gott in diese Welt, in unser Sterben gekommen und hat den Tod besiegt. Was Gott für uns will ist das Leben.
Vielleicht fällt euch dieser Satz morgen früh wieder ein, wenn ihr aufsteht: Gott möchte, dass ich lebe! Für mich hört sich das nach einem sehr guten Start in den Tag an.

3. Das lebendige Wasser im NT

Wer die Worte „lebendiges Wasser“ hört, bei dem klingelt es vielleicht gerade. Im Neuen Testament spricht Jesus mehr als einmal vom „lebendigen Wasser“. Die wahrscheinlich bekannteste Stelle ist Johannes 4 wo Jesus mit der Samaritanerin am Brunnen steht und ihr sagt, dass er das Wasser des Lebens hat, das wirklich den Durst stillt. Aber es gibt noch eine andere Stelle, die ich bis vor kurzem selber noch nicht kannte, aber nur ein paar Kapitel später sagt Jesus in Johannes 7,38:
"Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme des lebendigen Wassers fließen."
Im ganzen Alten Testament bezieht sich der Begriff „lebendiges Wasser“ immer nur auf Gott und Jerusalem, weil dort der Tempel steht. Aber hier gebraucht Jesus diesen Ausdruck, wenn er über die Menschen redet, die an ihn glauben.
Dabei muss man deutlich betonen: Jesus sagt: es werden Ströme des lebendigen Wassers fließen. Nicht: Er wird eine Quelle des lebendigen Wassers sein!
Das ist ein entscheidender Unterschied. Wir sind nicht die Quelle und wir könnten das auch gar nicht. Gott ist die Quelle, aber er gebraucht Menschen, um seinen Plan durchzuführen.

Gott könnte diesen ganzen schönen Plan alleine durchziehen. Er braucht uns Menschen nicht zur Rettung dieser Erde und seiner Bewohner.
Aber das Schöne ist: Er bezieht uns trotzdem mit ein.
Er gebraucht Hesekiel und die Propheten, um seinem Volk, immer und immer wieder, hinterher zu laufen.
Er gebraucht die Jünger und Paulus, um die gute Nachricht von Jesu Tod und Auferstehung überall hin zu tragen.
Und er gebraucht uns, in unserer Zeit, um hier in unserer Gemeinde, in unseren Familien und Freundeskreisen Menschen in Kontakt zu bringen mit ihm und dem Leben, dass er uns schenken möchte.
Mein Vater ist ursprünglich Landwirt und er hat unseren Garten zu einer wahren Oase gemacht. Meine Oma ist genauso, wobei sie mehr auf Schönheit und mein Vater mehr auf Geruch achtet. Und immer wenn wir zu ihr in den Urlaub gefahren sind wurden wir auch gleich mit eingespannt in die Gartenarbeit.
Schon als kleine Kinder hatten wir dann unsere eigenen kleinen Gartenhandschuhe, unsere kleinen Eimerchen und Schäufelchen. Wir durften die Blumen gießen und wir Größeren durften schon Laub rechen oder Äste mit der Schubkarre wegbringen. Als Kinder waren wir wirklich keine große Hilfe. Ich kann mir denken, dass wir manchmal sogar mehr im Weg waren, als wirklich was zu leisten. Aber wir waren Teil. Wir durften uns einbringen. Wir durften selber werkeln und buddeln. Wir durften lernen, wie man Pflanzen umtopft, Unkraut richtig entfernt und Gemüse zieht. (Und wir haben sogar dafür Taschengeld bekommen).
Aber was bedeutet heute lebendiges Wasser? Wie können wir heute Menschen von diesem Wunsch Gottes für unser Leben erzählen?
Wenn ein Glas mit Wasser überläuft, dann ist zuerst mal der Tisch um das Glas herum nass. Übertragen auf unser Leben heißt, dass das egal was bei uns gerade rum schwappt: Unsere Familie und unsere Freunde werden es als erstes abbekommen.
Positiv kann das sehr unterschiedlich aussehen: Danke sagen oder Lob aussprechen, wenn mir etwas gefällt. Aushelfen, wenn meine Nachbarin nicht genügend Eier hat, oder ihr bei der nächsten Weihnachtsbäckerei eine Dose Plätzchen vor die Tür stellen. An der Kasse den Mann hinter mir mal vorlassen. Mir bewusst Zeit nehmen für meine Familie. Nachfragen, wie geht es dir eigentlich? Oder du fragst selber den Heiligen Geist und lässt dir von ihm zeigen, was gerade getan werden könnte.
Anderen dienen mit dem was wir haben. Das ist das beste Zeugnis, das wir abgeben können. Ausgehend von Gott, der uns als erstes alles gegeben hat und im Heiligen Geist uns so nah gekommen ist, wie nie zuvor.

Durch den Heiligen Geist tröstet Gott uns und erinnert uns an ihn und an seinen Sieg über den Tod.
Durch den Heiligen Geist heilt er uns und schenkt uns neues Leben und seine Kraft.
Und durch den Heiligen Geist befähigt er uns, dass wir dieses lebendige Wasser, mit dem er uns gefüllt hat, an andere weiter geben.
Ich glaube, dass diese Vision von Hesekiel nicht ein fixes Datum hatte, an dem Gott gesagt hat: So und jetzt: Wasser marsch! Sondern ich glaube, dass dieser Fluss schon längst fließt, dass Gott auch heute hier dieses lebendige Wasser ausgießen möchte und dass er es in der Zukunft noch zur Vollendung bringen wird.
Als Einzelne fühlen wir uns manchmal wie ein Tropfen auf den heißen Stein, aber wir sind nicht allein. Wir sind von Gott in diese Gemeinschaft von Tropfen gestellt und er selber ist der Strom.
Zum Abschluss möchte ich noch sagen: Let us flow! Lasst uns fließen!
Amen! :)
Ich hab uns noch am Schluss dieser Predigt ein Lied mitgebracht und es ist jetzt die Zeit einfach zur Ruhe zu kommen, zu beten, mal in sich rein zu hören. Wenn es etwas gibt, was euch zur Zeit das Leben schwer macht, dann nehmt euch jetzt nochmal die Zeit und haltet Jesus das hin. Und denkt vielleicht nochmal an diesen Strom des Lebens, den Gott hier versprochen hat. Wenn wir zu Gott kommen, müssen wir ihm nichts bringen. Wir dürfen einfach so kommen wie wir sind und uns von ihm lieben lassen.
Ich beende das Ganze dann mit einem Gebet.


Vater, ich stehe jetzt hier vor dir.
Ich kann dir nichts bringen, außer meinem Herzen. Jesus, du siehst die Wunden und Narben, die im Laufe meines Lebens dazu gekommen sind. Jesus, du siehst den Schmerz und du fühlst ihn mit mir. Danke, dass ich so zu dir kommen darf wie ich bin. Mit meiner Angst, mit meiner Wut, mit meinen Zweifeln, mit meinem Schmerz. Danke, dass du ein Gott bist, der es gut mit mir meint.
Danke, dass du ein Gott bist, der sich selbst für mich gegeben hat, damit ich leben kann.
Danke, dass du mich so liebst und willst, dass ich lebe.
Jesus, so häufig sehe ich das nicht. So häufig spüre ich das nicht, dass du mir nah bist.
Bitte begegne mir heute wieder neu. Bitte öffne mir die Augen für das was du tust und tun willst. Und bitte schenke mir die Kraft und die Freude, dir zu folgen.
Bitte fülle mein Herz mit Liebe für dich und für die Menschen um mich herum, damit ich zu einem Springbrunnen lebendigen Wassers für andere sein kann.
Jesus, bitte segne diese Nacht. Bewahre und begleite uns auf unserem Weg nach Hause und in diese neue Woche.
Danke, dass du da bist.
In Jesu Namen.
Amen.


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