Tag 3

"Da schau!" Ich deute auf den kleinen Laden an der Ecke. "Das Restaurant sieht doch so aus wie Aaron es uns empfohlen hat, klein und muffig!" Wir lachen und überqueren den Zebrastreifen, nicht ohne vorher einen prüfenden Blick in beide Richtungen zu werfen, denn in Japan muss man zwar am Zebrastreifen halten, aber das tut in Wirklichkeit kein Japaner.
Ich werfe einen kleinen Blick durch das schmale Fenster und streife den Blick von einem der Köche der hinter der Theke steht und uns neugierig beobachtet. Schnell trete ich einen Schritt nach vorne, weg vom Fenster. Jedes Mal wenn mich jemand so anschaut fühle ich mich als ständen die Worte "baka gaijin" (dummer Ausländer) auf meiner Stirn tätowiert auch wenn das natürlich absoluter Blödsinn ist. 
Wir starren einige Minuten ratlos auf die Karte bevor du dir ein Herz nimmst und vor mir durch die Tür gehst.
Eine Frau steht gleich bereit und führt uns lächelnd zu unserem Tisch, der so designed ist, dass man auf dem erhöhten Boden sitzt und die Beine wie in eine Art Wanne gestellt sind.
Es sieht doch von innen um einiges schicker aus als wir zunächst dachten.
Die Frau bleibt lächelnd bei uns sitzen und beobachtet unsere verzweifelten Versuche herauszufinden was auf dieser 100% japanischen Karte steht. Sie versucht uns zu helfen, aber da sie weder Englisch geschweige denn Deutsch spricht, kommt außer peinlich berührtem Lachen und einigen gestammelten Wörtern: "chicken", "beefu", "ähh...nan desu ka." (was ist das?), "kudasai", "cola" und "sumimasen" nicht viel aus uns raus. Das Gehirn besitzt ja leider die unglaubliche Fähigkeit, alles so mühevoll Gelernte innerhalb von Bruchteilen von Sekunden zu löschen, genau dann wenn man es braucht.
Aber wir nehmen das ganze mit Humor und freuen uns, dass wir uns überhaupt reingetraut haben. 
Nach einer Weile sehe ich, wie hinter deinem Rücken drei Japaner stehen (natürlich von einer spanischen Wand getrennt) und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie darüber diskutieren wie sie mit uns kommunizieren können, bis sich ein junger Kellner erbarmt und zum Nachbartisch geht. Er muss die Männer wohl gefragt haben, ob jemand von ihnen Englisch spricht, denn schon wenige Augenblicke später rutschen zwei Männer zu uns und erklären uns freundlicherweise was das auf der Speisekarte ist und empfehlen uns einige Gerichte, die wir dann auch nehmen. Sicherlich hätten sie uns noch weitere Gerichte angedreht, aber nach 4 Vorschlägen schauen wir uns an und entschuldigen uns. "Sumimasen. I think ...well...that's enough. Arigato gozaimasu!" Alle sind sie super nett und freundlich und einer stößt einen der typisch Japanischen positiven Überraschungslaute aus, als wir ihm erzählen, dass wir aus Deutschland kommen. 
Das Essen ist super und am Schluss sind wir dann auch nur halb empört über die Rechnung. Sowas macht man ja nicht jeden Tag und die Preise waren echt in Ordnung, wenn man das Trinken weg lässt. 

Eigentlich hatte ich nicht vor heute zu schreiben. Ich hätte auch nicht gedacht, dass es ein sonderlich spannender Tag werden könnte. Vom Programm her, ist in dieser Woche noch nichts für uns vorgesehen außer Kennenlernen und Einfinden. 
Tatsächlich haben wir aber eine Menge geschafft. Yutarou ist eigentlich der Pfarrer der Ai Hope Church, aber er hat es sich zur Aufgabe gemacht uns Japanisch beizubringen, was er in seiner prakmatisch, japanischen Art auch gnadenlos durch zieht, bis er uns am Ende zufrieden als "Hiragana Master's" bezeichnet. 
Danach wird das Programm für den Kids English Club vorbereitet. Das Thema "What did you do in your summer holidays". Eine ziemlich deprimierende Frage, wenn man davon ausgeht, dass japanische Kinder kaum Ferien haben: die meiste Zeit wird weiter für die Schule gelernt. 
Danach ist es Zeit zum Bahn fahren und ich weiß was ihr jetzt denkt. "UII japanische Bahnen sind super eng habe ich gehört!?" Jain. Du musst die richtige Uhrzeit erwischen und 6 Uhr abends ist eine grandiose Uhrzeit, der Zug ist so gut wie leer. 
In Nagoya angekommen schauen wir uns den von den Quadratmetern größten Bahnhof der Welt an. Gigantisch groß mit 11 Geschossen zum shoppen der unterschiedlichsten Dinge. Aber die Preise sind dementsprechend gigantisch. 
Mein Favorit: Der 11. Stock. Ein Geschoss nur mit Büchern. Dass alles auf Japanisch ist stört mich in diesem Augenblick wenig. 
Wir schauen uns nach etwas zu Essen um und werden fast erschlagen von den vielen verschiedenen Angeboten. In einer kleinen Untergrundgasse reihen sich die kleinen Restaurants aneinander, aber keines lockt uns wirklich. Auf dem Weg begegnet uns ein Mann, den ich wohl als den zweiten unhöflichen Japaner auf dieser Welt bezeichnen würde. (Die erste war die Frau im japanischen Konsulat in Frankfurt). 
Gerade als er an uns vorbei geht schaut er uns an und lässt den wohl lautesten Rülpser los, den ich je bei einem Menschen in der Öffentlichkeit IM REALLIFE gehört habe. Ohne eine Miene zu verziehen laufen wir an ihm vorbei, aber dann muss ich mich wirklich zusammen reißen um nicht laut los zu lachen. Jeder wie er meint. 
Wir kommen auf die Sekunde genau, springen in den Zug und er fährt los...Wir schauen auf die Fahrtrichtung und das Gleis...beides richtig!! Bing bing bing! Leider keinen Preis gewonnen.:)
Neben uns stehen zwei junge Japaner (ACH WAS!?^^). Ich finde es schwer sie einzuschätzen, aber ich denke sie müssten etwa so alt sein wie ich und es juckt mir in den Fingern, als ich ihnen zuhöre, denn ich verstehe kein Wort. Ich ärgere mich, dass ich nicht Japanisch kann, dass ich nichts habe, womit ich ihnen von der Ai Hope Church erzählen könnte und dass sie eine Station vor uns aussteigen, weil das bedeutet, dass ich sie vermutlich auch nicht wieder sehen werde. Aber wir sind ja auch nicht die einzigen Christen auf der Welt, vielleicht hat Gott ja andere Pläne mit ihnen. 
Ich bin auf jeden Fall gespannt, was Gott noch so vor hat mit mir. 
Oyasumi nasai! (Gute Nacht!) :)

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