Liebes Tagebuch... Tag 2 - 29.04.15

Tag 2 - 29.04.15

Guten Morgen!
Nicht so ganz frisch, erwache ich um 7:15 nachdem mein Wecker EINMAL gepiept hat, bleibe aber noch liegen bis 20 vor 8. Mein Körper fühlt sich an wie mit dem Morgenstern gestreichelt.
Es dauert schier ewig bis ich mich dazu aufraffen kann Stille Zeit zu machen (und das so kurz vor dem Ende des Altern Testaments!) und mich anzuziehen.
In der Küche herrscht Stau und ich mache bestimmt 3 Mal die Kühlschranktür auf und zu (ein Mädchen wartet verwirrt hinter mir) bis ich endlich gegenwärtig genug bin mein Obst heraus zu nehmen.

Ein junger asiatisch aussehender Mann sitzt am Tisch und unterhält sich auf Japanisch mit einem älteren Mann, der ihm seinen selbstgebauten Tisch vor führt. Mir fiel er schon gestern auf, weil er sehr interessant (das ist hier positiv gemeint) aussieht und jetzt weiß ich auch warum: ein Happi! (Halbjapaner). Die andere Hälfte scheint Englisch zu sein. Ich vermute Neuseeland oder Australien (seinem Begleiter nach zu urteilen).

Ich schreibe noch verschiedene Antworten auf meinem Handy [weil ich während der Zeit, in der die deutschen Finger am aktivsten sind, schlafe, muss ich morgens immer so einiges nachholen!] und mache mich dann mit dem neu ausgeliehenen Fahrrad (das beim Bremsen furchtbar quietscht) auf den Weg.
Von der Rezeptionistin (dieses Mal die gleiche wie im Januar und sie hat mich "wieder erkannt") bekomme ich einen Stadtplan und dann geht es los. Aber ich bin mit mir noch nicht überein gekommen ob ich zuerst nach Arashiyama oder zum Ginkakouji fahren soll, entscheide mich spontan für letzteres und lande beim Nijo (Schloss).

(Auf dem Weg höre ich an einer Stelle Klatschen aus einer Einfahrt: Eine Gruppe von Japanern in Anzügen im Kreis und Klatschen - Die spinnen, die Japaner.)

Als ich das erste Mal in Kyoto war stand ich auch hier und habe überlegt, ob ich rein gehen soll oder nicht, habe mich damals aber dagegen entschieden.
Aber dieses Mal gehe ich. Der Fahrradparkplatz kostet 200Yen und ich bin positiv überrascht, als der nette Herr, der mir das Geld abnimmt, mir sagt, dass ich damit jetzt unter anderem beim Parkplatz von Arashiyama und Ginkakouji umsonst parken kann! Yeay! :)
Inneres Eingangstor zum Nijo
Dafür ärgere ich mich beim Ticket kaufen: Im Januar hätte ich nur 350Yen Eintritt zahlen müssen, aber jetzt bin ich 19 und muss den ganzen Preis 600Yen zahlen. Naja...Shoganai. (Da kann man nichts machen.)

Das Schloss ist echt schön und mich verwundert immer wieder wie anders Japan sich entwickelt hat als Europa/Deutschland.
An zwei Führungen komme ich vorbei . Bei der Zweiten bleibe ich ein wenig länger. Ein kleiner Japaner, mit Schirmmütze und breitem Lächeln, führt den Trupp von Touristen an und redet so laut, dass er das Mikro um seinen Hals gar nicht braucht. Er ist super lustig, aber etwas aufgedreht und sein Lieblingssatz ist: "Thank you very much! Is it ok to talk now?"
Garten des Nijo Schlosses
Ich mache mich schließlich wieder selbstständig und streune durch den Garten, finde dann ein schattiges Plätzchen und schreibe Tagebuch.
Zwischendurch tönen Ansagen aus den Lautsprecher: eine über Spenden für das Schloss und die andere kann ich leider nicht verstehen, da sie im grauenvollsten Englisch, das ein ein Japaner bringen kann, vorgetragen wird.

Ich mach mich dann mal wieder auf. Der Blick auf die Uhr: 10:37.
Ich laufe weiter und schaue mir noch den Rest des Geländes an [Franzosen wohin das Auge sieht und Ohr hört]. Dann mache ich mich auf zum Goldenen Pavillon.
Nach fast einer halben Stunde bin ich angekommen und stelle fest, dass ich mich vertan habe, was den freien Fahrradparkplatz angeht: Den gibt es nämlich beim Ginkakouji, aber ich will ja zum Goldenen Pavillon -> Kinkakouji -.-. Nicht so schlimm. Dafür gibt es einen kostenlosen Fahrradpark auf der anderen Seite der Straße!

Voller Genugtuung gehe ich durch das Tor und freue mich, dass ich nicht wie beim letzten Mal vor geschlossenen Türen stehe. Es ist schön, aber nach einer halben Stunde bin ich auch schon wieder draußen. Foto gemacht und dann ist kaum noch etwas zu sehen. Dafür sind jede Menge Leute da.

Ich kaufe draußen japanische Nüsse von einem Jungen in meinem Alter, der sehr chinesisch wirkt und laufe dann zurück zu meinem Fahrrad. Ein Blick auf die Karte sagt mir, dass ich der Straße, auf der ich die letzten Minuten zum Kinkakouji gefahren bin, einfach nur bergab folgen muss. Also tue ich dem und es folgt eine Achterbahnfahrt der feinsten, aber auch anstrengendsten Art, denn es geht leider nicht nur bergab und mein Fahrrad hat nur einen Gang. Ich kann nur schlecht bremsen und kann gerade noch stoppen um auf den Parkplatz des, an der Straße liegenden, Ryoji einzubiegen.
Ich überlege noch ob ich wirklich wieder Geld für einen Tempel ausgeben will, aber dann gehe ich doch und werde dafür mit einem wunderschönen Garten belohnt.
Steingarten des Ryoji
Der Steingarten ist zwar die eigentliche Attraktion und auch interessant, aber schön ist was anderes!

Auf dem Rückweg zu meinem Fahrrad spricht mich eine Frau die Seealgen-Suppen-Tee verkauft an und bietet mir eine Probier-Tasse an. Es schmeckt nach dem ersten "Schreck" so gut, dass ich ein Päckchen kaufe. [Meine Japanisch Lehrerin hat sich sehr darüber gefreut!]

Ein paar Minuten und Kurven später stehe ich schon vor dem nächsten Tempel und auch hier zögere ich zunächst, aber das Ticket was ich dann kaufe gilt für den "Palast". Die Tempel-Anlagen kann man umsonst betreten.
See im Ryoji
Hier ist nicht so viel los und ich genieße die Stille auf der Terrasse des "Palasts", bis eine kleine französische Familie, die ich auch beim Ryoji gesehen habe, wieder auftaucht.

Einer der Gründe warum ich den Frühling liebe, sind die Gerüche und da es jetzt auch wärmer wird, entfalten sich die besten Düfte in meiner Nase bei denen ich von den meisten keine Ahnung habe woher sie kommen.

Es ist inzwischen viertel vor 2, aber ich habe nur begrenzt Hunger und sowieso noch nichts gesehen worauf ich Appetit hätte.

Palastgarten
Noch einmal schnüffeln ^^, dann verlasse ich mein Plätzchen und mache mich endlich auf nach Arashiyama.

Die nächste Viertelstunde wird es immer stiller und leerer, aber auch ländlicher: vorbei an Feldern und einem riesigen See.
An einer Stelle weiß ich nicht weiter, fahre aber einfach mal halb links weiter und bin dann sogar richtig!
Kaum fahre ich über die Bahngleise rein nach Arashiyama sehe ich die Menschenmassen. Der abrupte Wechsel ist etwas verstörend.
Gang des Tennoji
Vor der Fahrt durch den Bambus noch eine kleine Gartenschau im Tennouji Garten (Garten des Himmlischen Drachens). Nochmal 600Yen und ich sehe wie meine zweiten 10.000 Yen schwinden.
Vor dem Essen gehe ich besser abheben, aber ich bin jetzt fast da und es ist gerade mal fünf vor 3.
Ich bin jetzt seit 6 Stunden unterwegs und meine Füße schmerzen nur mittelmäßig.

Eben ist eine Frau an mir vorbei gekommen, die aussah wie eine dicke Siri, aber dann beim nächsten Mal sah man den Unterschied deutlich. Ich weiß nicht ob ich froh, oder traurig sein soll.

Hier klettern lauter alte Frauen und ein dicker Mann durchs Gebüsch. Ich frage mich wie viel Geld die dafür bekommen, hier Unkraut aus zu machen.

Ich schlender noch durch den Garten, aber leider kann ich den Blumenduft nicht mehr so genießen. Sobald ich einatme tut meine Lunge weh und ich fange an zu husten. (Ich habe zwischendurch sogar echt Angst keine Luft mehr zu bekommen.)

Am Ende des Gartens kann man durch ein Tor gleich zu dem Bambus-Pfad. (Jetzt weiß ich wenigstens auch wo der ist.) Aber ich will erst noch zurück zu meinem Fahrrad. Das Gebäude neben dem ich geparkt habe kann man auch besichtigen, aber die beiden Verkäuferinnen sehen nicht sehr beschäftigt aus.

Ich fahre wieder die Straße hoch, auf der ich gekommen bin und sehe ein paar interessante Omiyage Geschäfte. Da muss ich eigentlich mal rein. Dann biege ich in die Bambus"straße" ein. Es ist eigentlich keine Straße und vor allem ist sie proppenvoll (nicht, dass ich das nicht gewusst und mich niemand gewarnt hätte), aber ich hätte nicht gedacht, dass es so enttäuschend sein würde.
Ja, es war schön, aber viel zu kurz, zu voll und es gab ja faktisch nichts besonderes zu sehen.
Ich fahre also wieder zurück und wieder die Straße runter. Dabei sehe ich Werbung für ein Erdbeermochi (<3) und fahre fast vorbei, überlege es mir dann aber anders und drehe um.
Die Verkäuferin ist super nett und lässt mich sogar ein Mochi probieren. Sehr edel, aber mir persönlich zu bepudert.
Ich kaufe trotzdem zwei Packungen. Sie gibt mir extra die, die sich am längsten halten und als ich bezahle ist mein Portmonnaie wirklich alle.
Ich bringe die Sachen zum Fahrrad und frage ob es in der Gegend einen 7 eleven gibt, wo ich Geld abheben kann. Sie sagen es gibt keinen. (Diese ganze Stadt ist voll von 7 elevens, nur nicht in Arashiyama??) x.x
Der "Koch" ist so lieb und mal mir den Weg zur Kyoto Bank auf. Ich bedanke mich: Okini! und schwing mich auf den Drahtesel, aber als ich bei der Bank ankomme, passiert was ich befürchtet habe: "Dame!" Die Karte wird nicht vom Automaten angenommen und ich bleibe somit geldlos.
Mein Magen gibt einzelne Töne von sich, ich habe Appetit, aber wirklich etwas zu essen brauche ich nicht.

Der Himmel zieht zu.
Ich überlege: Soll ich jetzt schon nach Hause fahren? Es ist gerade mal halb vier!
Ich schmeiße beim Ausparken drei andere Fahrräder um und stelle sie schnell wieder auf, aber eine Frau kommt aus der Bank und ihres ist auch umgefallen. Ich helfe ihr beim Aufrichten und sie entschuldigt sich. Ich schüttle abwehrend den Kopf und sage: Mir tut es leid!!

Ich fahre los und weiß immer noch nicht was tun. Als ich am Fluss ankomme, will ich doch noch ein Bild von der Brücke machen. Dann doch noch mal über die Brücke laufen.
Es endet damit, dass ich auf den kleinen Weg hinter der Brücke abbiege, der am Fluss entlang durch den Wald führt.
Nach einem steilen Stück kommt mir ein Mofa entgegen. Ich warte bis der junge Mann an mir vorbei gefahren ist. Als er auf meiner Höhe ist, lächelt er mich an und ich muss zugeben, dass er sehr gut aussieht (wie ein koreanischer Schauspieler, den ich sehr mag, aber heute sehen irgendwie sehr viele Männer aus wie Schauspieler, die ich kenne xD).
Am Ende des Weges ist der Fluss gesäumt von Felsen und links führt ein Weg hoch zur "Great view". Ich stelle mein Fahrrad ab, nehme meinen Rucksack und will schon losstapfen, aber dann sehe ich, dass es 400 Yen kostet [Aussicht verkaufen? Wie gemein ist das denn?] und überlege es mir, mangels 400 Yen, nochmal anders. [Später finde ich 500 Yen in meiner Hosentasche. *facepalm*]
Stattdessen chille ich mich auf die warmen Felsen, sehe den Booten zu, die ab und zu vorbei fahren und schreibe Tagebuch. Nicht zu vergessen: Selfies. ;)

3 Boote die an mir vorbei fuhren:

  • Das erste Boot: Alle winken mir fröhlich zu! <3
  • Das zweite Boot: zwei ältere Herren, einer Japaner, einer Ausländer, beobachten mich, der hintere Bootsführer zieht ne Schnute (vielleicht, als er mein Gesicht sieht??)
  • Das dritte Boot kommt von oben vom Fluss wie das erste, aber dieses Mal dockt ein Essensboot, das von unten am Fluss kommt an und verkauft die nächsten Minuten, flussabwärtstreibend an die Passagiere.
In Arashiyama am Fluss
Zweimal kommt eine Bummelbahn auf der anderen Seite des Flusses vorbei getuckert, aber ansonsten ist alles still und ich bin schön allein.
Aber langsam meldet sich mein Magen (Ich habe seit 8 1/2 Stunden nichts mehr gegessen), das Wetter wird kühler und ich brauche ja noch etwa eine Stunde zurück zum Hostel.
Ich begebe mich also auf den Rückweg.
Die Wolken sind jetzt echt dicht und ich mache mir Sorgen, dass es regnen könnte. Ich komme schnell voran und der Blick auf den Fluss ist so schön, dass es mich für alles andere entschädigt. 
Bei der nächsten Brücke biege ich nach links in die Stadt ein und komme zu meiner Erleicherung bei einem 7 eleven vorbei, bei dem ich mir auch gleich zwei Sandwiches und einen Liter Orangensaft gönne. 
Schon ein paar hundert Meter weiter komme ich an einem kleinen CocoCurry vorbei und als ich mich eine Sekunde später ein Vieh, das gegen mein Auge fliegt, zum Anhalten zwingt, nehme ich das als Zeichen, setze mich an den Counter und bestelle Seafood-zamai-Kare. 
Ich sehe mich um, aber außer einem älteren Mann, der bald geht und einem etwas dickeren mittelalten Mann ist kein Gast da und noch sehe ich keine missionarische Aufgabe vor mir auftauchen.
Das Essen kommt. Ich bete. Ich esse.
<3 <3 <3 <3 <3 <3 <3 <3 <3 <3 <3 
Gegen Ende merke ich, dass ich jetzt gut gefüllt bin. [Am Anfang meines Jahres habe ich solche Portionen noch ohne mit der Wimper zu zucken verdrückt, aber inzwischen ist mein Magen kleiner geworden - zum Glück].
Jetzt kann ich mich gut gestärkt auf den Rückweg machen! Bevor es dunkel ist, will ich zuhause sein!

Im Hostel angekommen quatsche ich ein wenig mit dem "Manager", der gleiche Rezeptionist wie gestern und verziehe mich dann unter die Dusche!

Die Frauen aus Taiwan gehen total ab beim Kochen und als ich später wieder in den offenen Raum komme, haben sie ein komplettes Menü auf die Beine gestellt. 
Die beiden Typen aus Englischland haben Bier getrunken, viel Bier! und spielen Othello und Tischtennis auf dem iPad des Happis . 
Die zwei Franzosen haben Knöpfe in den Ohren und schauen etwas fertig aus.
Weiß nicht ob es eine gute Idee ist, sie an zu sprechen.
Ich sollte echt nicht diese Hose tragen (stinkt), leider ist die Alternative (knappes Kleid oder Nachthemd) schlimmer.


Mal schaun was tun mit diesem Abend. Ich liege im Bett. Eigentlich würde ich mich gern noch unterhalten,n aber der public space ist von Taiwan erobert worden, die eine Party zu feiern scheinen, so laut ist es. Eben war ich nochmal da um mir für morgen die Zugverbindung für den Weg zurück heraus zu suchen und meine Mails zu checken, was sich auch als DIE Gelegenheit herausstellte die zwei Englischländer mal anzuhauen (dummes @-Zeichen!). 
Die zwei stinken inzwischen nach Alkohol und Zigaretten und ich verliere die Lust mich mit ihnen zu unterhalten, sie scheinen sich aber eh lieber mit sich selbst zu beschäftigen.


Dann schaue ich stattdessen Gag Concert (ohne Ton um die anderen nicht zu stören, aber es hat ja Untertitel!) aber nach einer Weile gebe ich auch das auf, weil mal wieder Stau auf der Internetautobahn ist und schon 11 Uhr vorbei ist.

Bei der Stillen Zeit bin ich jetzt mit dem Alten Testament durch. Ab morgen dann: Markus! (Weil ich Matthäus schon beim Dreamday lese!)
GUTE NACHT!!
















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