Tag 9 - Kampf in Masada

Mit einem Krachen fuhr der gewaltige Rammbock gegen die Mauer und brachte die von der Sonne ausgetrockneten Steine zum Erbeben. Ilay biss die Zähne zusammen und spannte einen weiteren Pfeil auf die Sehne. Er kniff sein rechtes Auge zusammen um die Soldaten vor sich besser fokusieren zu können. Es durfte ihm kein Fehler unterlaufen, sonst würde sein Pfeil einen der israelischen Sklaven dort unten treffen, die von den Römern dazu gezwungen worden waren, den gigantischen Turm mit dem Rammbock, die Rampe aus Geröll und Sand hinauf zu ziehen, die die Römer erst mit ihrer Hilfe hatten errichten können. Ilay schoß. Und traf. Aber seine Freude währte nicht lange, denn schon erzitterte der Boden unter seinen Füßen unter dem zweiten Zusammenstoß des Rammbocks mit der Mauer. Die Sonne stand schon tief am Himmel und brannte doch mit aller Gewalt auf ihre Köpfe nieder. Für Ilay gab es kein Morgen. Alles was zählte war dieser Moment und während er den nächsten Pfeil spannte betete er in seinem Hinterkopf den Psalm, den sein Vater ihm an diesem Morgen noch so eingeschärft hatte. 

"Ein Psalm Davids," "als er vor seinem Sohn Absalom floh." 
Ach HERR, wie sind meiner Feinde so viel und erheben sich so viele gegen mich! 
Viele sagen von mir: Er hat keine Hilfe bei Gott. "SELA". 
Aber du, HERR, bist der Schild für mich, du bist meine Ehre und hebst mein Haupt empor. 
Ich rufe mit meiner Stimme zum HERRN, so erhört er mich von seinem heiligen Berge. "SELA". 
Ich liege und schlafe und erwache; denn der HERR hält mich. 
Ich fürchte mich nicht vor vielen Tausenden, die sich ringsum wider mich legen. 
Auf, HERR, und hilf mir, mein Gott! / Denn du schlägst alle meine Feinde auf die Backe und zerschmetterst der Gottlosen Zähne. 
Bei dem HERRN findet man Hilfe. Dein Segen komme über dein Volk! "SELA".

Ein weiteres Krachen. Ein Knirschen und ein Schauer der Angst lief Ilay über den Rücken als er die Schreie, der Männer an dem Mauerstück hörte, das nun durchbrochen zu sein schien. 
Aber sie waren nicht ganz unvorbereitet gewesen. In der vergangenen Nacht hatte ihr Anführer Eleazar ben'Yahir befohlen alles Holz und Gestein heran zu tragen um eine zweite Mauer zu errichten. 
Ilay sah, dass der Zug der Römer zum Stocken gekommen war und er nutze die Gelegenheit um noch ein paar seiner Pfeile abzuschießen, aber auch die gingen langsam zur neige und wer wußte schon wie lange sie sich von einer Wand aus Holz und Geröll abhalten ließen. 
Ein kurzer Moment der Ruhe trat ein bis Ilay sah wie ein Sklave mit einer Fackel nach oben eilte und auf seinem Weg immer mehr Fackeln entzündete. Ilay spürte wie sein Herz unangenehm in seinem Hals pochte. 
Gegen das Feuer hatte ihre zweite Mauer keine Chance. Er schloss die Augen und wartete auf das Ende.
Plötzlich hörte er Jubelschreie und das nächste was er sah, war der Rauch, der vom Turm der Römer emporstieg. Anscheinend war bei dem Versuch die Mauer in Brand zu stecken das Feuer in die andere Richtung ausgeschlagen und hatte sich an der Holzverkleidung des römischen Turms gütlich getan. Waren sie doch nicht verloren? Hatten sie vielleicht noch eine Chance zu gewinnen? War es ein Zeichen Gottes, dass er sein Volk, wie so häufig in den alten Geschichten, doch befreien würde? 
Würden die Römer ihr kostbares Wasser, das extra aus der Oase Ein Gedi hergebracht worden war aufs Spiel setzen um ihren Turm zu retten? 
Aber das Glück blieb nicht. Der Wind drehte erneut und schon bald brannte die Mauer lichterloh. Ilays Herz sank und während die Sonne hinter den Bergen verschwand und die Dunkelheit vom Meer über das Land kroch sah er wie auch ihre zweite Mauer sich zu einem glühenden Haufen Asche verwandelte. 
Heute Nacht würde ihre letzte Nacht sein, das wusste jeder von ihnen. Ilay konnte es an den Gesichtern der anderen Männer ablesen. Morgen früh würden die Römer kommen. Was würden sie vorfinden?

Heute morgen haben wir uns statt uns zu hetzen die Frühstückspakete mit Aussicht auf die Ein Gedi Oase genossen. Nach einem Bild haben wir uns dann von unserem neuen Bekannten Raphael verabschiedet und sind auf gut Glück runter zur Bushaltestelle gelaufen, wo auch prompt der richtige Bus kam und uns nach Masada brachte.
Es ist unglaublich wie warm es schon früh am Morgen ist und noch hatten wir das vermutlich heißeste Plätzchen Israels (neben der Negevwüste natürlich) noch vor uns.
Die Festung von Masada wurde von Herodes zu einem Palast ausgebaut, der in seinem Größenwahn und seiner Angst, das unmögliche möglich gemacht hat. Es war beeindrucken die Anlage zu belaufen, die 630x300 Meter groß ist und auf der man heute noch die Überreste vom Krieg der Juden gegen die Römer 73 n. Chr. besichtigen kann.
Damals harrten fast 1000 Rebellen auf der Bergfestung aus und wurden von einem riesigen Herr von Römern belagert, die fast keine Chance hatten vorzudringen.
Nur mithilfe von jüdischen Sklaven war es ihnen möglich eine riesige Rampe zu errichten auf der sie einen Rammbock hochziehen konnte und der ihnen schließlich die Entscheidung brachte. Aber als sie schließlich die Festung eingenommen hatten, fanden sie nichts anderes vor als verbrannte Gebäude und die Leichen, der Rebellen, die den Freitod vor der Sklaverei oder Folter und Tod gewählt hatten.
Heute steht dieser Kampf und die Entscheidung der Rebellen für den Heldenmut und Furchtlosigkeit der Juden, aber ich frage mich ob Selbstmord nicht auch eine Art der Flucht ist.
Von dem Plateau des Berges hat man einen fantastischen Blick auf das ganze Tal, aber die Sonne hat damit auch einen tollen Blick auf menschliche Haut und Köpfe.
Leider mussten wir noch über eine Stunde warten (30 Minuten reguläre Wartezeit + 35 Minuten Verspätung) bis wir in den Bus nach Jerusalem steigen konnten.
Ein zweites Mal in Jerusalem anzukommen war schon deutlich anders als beim ersten Mal. 
Wir sind nicht länger die unsicheren Touris, sondern irgendwie fühlt es sich schon nach Zuhause an.
Am Abend habe ich einfach nur alle Vorzüge einer Wohnung mit W-LAN genossen, während mein Vater durch die Straßen gezogen ist. 
Morgen dürfen wir uns dann wieder mit viel Geschichte befassen, da heißt es nämlich: Budeln, budeln, budeln. :)






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